Teil 2: Von Shooting-Stars und Reiseleitern

  • Gestern und heute
  • VfL lieber als die Nationalmannschaft
  • Die Jugend ist die Zukunft
  • Ein 2-Meter-Mann hält seine Kiste sauber
  • Ein Geschwisterpaar trumpft ganz groß auf
  • Kreative Ideen vom 2. Mann
  • Das Endspiel und die Feier
  • Zugabe

 

 

Gleich zu Beginn gibt es diesmal einen Ausschnitt aus der Nordwest-Zeitung vom 18. Oktober 2019. Das Spiel der Bundesliga-Damen zwei Tage zuvor hatte mehr als einen Hauch von Déjà-vu. Und das lag nicht daran, dass Maike Balthazar ihre alten Freundinnen Maike Schmidt, Inge Breithaupt und Elke Dieken, von denen in diesem Teil noch viel zu lesen sein wird, mal wieder in die EWE-Arena eingeladen hatte, okay, vielleicht trug dieses Treffen eine kleine Wenigkeit zu diesem atemberaubenden Abend bei.

 

 

Dieses Spiel erinnerte an alte Zeiten. Ein übermächtiger Gegner kommt zu Gast nach Oldenburg und erlebt eine über sich hinauswachsende überragende VfL-Mannschaft, die bis zum Schluss aber wirklich alles in die Waagschale wirft. Und die am Ende nur zum Teil belohnt wird, 25:25 trennten sich beide Teams. Die Spielerinnen aus Bietigheim konnten die drohende Niederlage mit der Cleverness einer absoluten Spitzenmannschaft in aller letzter Not gerade noch abwenden.

 

 

Die Sensation lag in der Luft, alle Beteiligten auf dem Feld, auf der Bank und auf der Tribüne spürten an diesem Ort und in diesem Moment einen faszinierenden Zauber, der leider nur in unseren Gedanken und in unseren Köpfen einen festen Platz gefunden hat. Uns fehlt der Anker und der sichere Hafen, um diese Augenblicke konservieren zu können. Wer geht schon gerne zu Silke Prante in die Praxis, um sich an den Wänden die Erfolge der letzten Jahre in Form von Bildern und Plakaten anzusehen. In den meisten Fällen kommt zu diesen Treffen eine Bänderdehnung, ein Kreuzbandriss oder irgendeine Verletzung an der Hand dazu.

Wer also dieses atemberaubende Spiel gegen die SG BBM Bietigheim verfolgt hat, möchte mehr von diesen fantastischen Momenten. Es geht dabei auch nicht immer um das Gewinnen, sondern vielmehr um das Weitergeben von Gefühlen. Wer als Kind oder als Jugendliche/r Lust auf Handball hat und in so eine Atmosphäre eintaucht, möchte auch so etwas erleben. Da entwickeln sich die ersten Träume, da gibt es Wünsche und vielleicht auch ein Ziel, irgendwann einmal dort auf dem Feld zu stehen. Für Toni Reinemann ist an diesem denkwürdigen Abend bestimmt auch ein Traum in Erfüllung gegangen, so wie vielen anderen Spielerinnen zuvor, die schon in der Jugend das VfL-Trikot getragen haben.

Passt es da nicht wunderbar, dass die neue Saison am 04. September 2022 mit dem Supercup gegen den Meister und Pokalsieger um 16.30 Uhr mit einem Heimspiel in der EWE-Arena beginnt. Und wer weiß, was an diesem Sonntag so alles passiert. Vielleicht geht dieser Tag auch in die Geschichtsbücher der Handballabteilung ein.

 

 

Aber jetzt noch einmal schnell zurück zu dem Spiel der Saison 2019/2019. Was hat diese Saison zu tun mit einem Foto von Peter Görgen und Heike Schmidt aus der Saison 1995/1996?

 

 

Das war Peters erste Saison als Geschäftsführer der Bundesliga-GmbH. Hier fing ein neues Kapitel Professionalisierung an. Im ersten Teil wurden ein paar Jahre dieser Tätigkeit unterschlagen, insgesamt war es also ein Vierteljahrhundert, 25 lange Jahre. Aber was er Heike als Spielerin des Tages in Form eines kleinen Präsentes überreicht hat, wird spätestens am 22. Oktober im VfL Vereinsheim geklärt werden.

Wer noch mehr über Heike Horstmann (geb. Schmidt) erfahren möchte, kann sich den NWZ-Artikel vom 12. Juni 2019 anschauen.

 

 

Doch jetzt schnell zurück in das Jahr 1982. Im August werden wir ausgezeichnet mit der zweitbesten Jugendarbeit im Bezirk Weser-Ems, immerhin. Im September bleiben dann die Senior:innen unter sich und feiern 60 Jahre Handball im VfL Oldenburg.

 

 

Wir alle kennen das Internationale Handballturnier um das Oldenburger Wunderhorn. 1986 hat der VfL diese sportlichen Auseinandersetzungen als formidable Saisonvorbereitung ins Leben gerufen. Leider fiel diese über den sportlichen Aspekt hinaus  wirkende Veranstaltung in den letzten Jahren coronabedingt aus. Der Vorläufer war ein Turnier mit vier Nationalmannschaften, das an drei Spieltagen im Modus jeder gegen jeden ausgetragen wurde. Vor gut 40 Jahren spielte in drei Hallen die Deutsche Frauen-Nationalmannschaft in Wilhelmshaven, Nordenham und Oldenburg (OTB-Halle) gegen Dänemark, Bulgarien und Polen. Neben sechs Spielerinnen aus Leverkusen stellte unsere Bundesligamannschaft drei Akteurinnen ab: Rita Köster, Maike Becker und Sylke Arnold. Im erweiterten Kader befanden sich außerdem noch Maike Schmidt und Diana Diekmann.  Also insgesamt drei Spielerinnen, die 1978 die erste Deutsche Meisterschaft mit der weiblichen A-Jugend gewonnen haben.

Die Deutsche Nationalmannschaft gewann alle drei Spiele. Und um es kurz zu machen, Rita Köster warf die meisten Tore, insgesamt 18 (davon sechs 7m). Für die Region waren diese drei Tage ein großes Erlebnis und natürlich auch eine organisatorische Meisterleistung. Somit war das deutsche Team bestens präpariert für die kommenden Weltmeisterschaften in Ungarn.  Doch genau dort, wo es sportlich wirklich wichtig war, klappte es im Dezember leider nicht.

 

 

Die Nationalmannschaft beendete die WM mit einem enttäuschenden 9. Platz. Nach einer 16:21 Auftaktniederlage gegen die Spielerinnen aus Jugoslawien, die am Ende dieser Meisterschaft die Bronzemedaille erreichten, durfte das zweite Gruppenspiel nicht verloren werden. Leider konnte das deutsche Team auch hier nicht eindeutig überzeugen und steckte eine bitterere 17:18 Niederlage ein. So wurde die Hauptrunde verpasst und der Bundestrainer Gerd Tschochohei trat von seinem Amt zurück. Erster Kandidat auf die Neubesetzung war Robert Schumann, der nach zwei Wochen reiflicher Überlegung kurz vor dem Ende des Jahres nach den Weihnachtstagen dann aber absagte. Ab hier ist jetzt alles nur Spekulation. Hätte er das Amt angetreten, wäre er höchstwahrscheinlich mit der Deutschen Mannschaft zu den Olympischen Spielen 1984 nach Los Angeles gereist. Durch den Boykott der Länder aus dem Ostblock ergab sich für die deutschen Frauen die Möglichkeit, doch an diesem Turnier teilzunehmen. Rita Köster und Sylke Arnold wären aus der Nationalmannschaft nach Querelen mit dem neuen Bundestrainer Ekke Hoffmann nicht zurückgetreten und hätten neben Maike Becker eine Medaille gewonnen. Doch das sind alles nur Vermutungen.

 

 

So konnten sich alle Beteiligten 1983 auf die sportlichen Höchstleistungen in Oldenburg konzentrieren. Die ersten Damen wollten endlich ins Deutsche Meisterschaftsfinale und auch die Jugendmannschaften, diesmal mit dabei die männliche A-Jugend von Werner Bokelmann, hatten hohe Ziele. Der OTB, der die führende Kraft im männlichen Bereich über Jahre gewesen war, konnte vom Thron gestoßen werden. Nach dem Aufstieg in die Oberliga setzen sich die Jungen um Stephan Janßen, Oliver Mävers und Thorsten Helms souverän auch 1983 ganz an die Spitze. Zum Niedersachsenmeistertitel hat es dann aber nicht ganz gereicht, da der TSV Anderten eine Nummer zu groß gewesen war. 1984 und 1985 gab es dann aber hintereinander für zwei Meisterschaften, nachdem die Trainingsintensität gesteigert und der Kader noch einmal mit Auswahlspielern aus der Region verstärkt worden war. Diese Spieler von Trainer Werner Bokelmann, der auch als Co-Trainer der Bundesligamannschaft fungierte, bildeten für das nächste Jahrzehnt das neue Gerüst der 1. Herrenmannschaft von Jürgen Carstens, natürlich mit den beiden Jungen aus dem Viertel. Mit Oliver Mävers aus der Lambertistraße, der später erst in die 2. Liga nach Altjürden und dann in das Handballoberhaus nach Hameln wechselte und mit dem 2-Meter-Torhüter Stephan Janßen aus der Ackerstraße, der neben seiner aktiven Karriere auch das Traineramt der 2. Damenmannschaft in der Regionalliga innehatte. Beide verbindet außerdem die Tatsache, dass sie mit Frauke Lambrecht und Sabine Hintz zwei Spielerinnen aus der Bundesliga geheiratet haben.

 

  

Oliver Mävers Schwester Bianca ist aber in den Jahren 1982 und 1985 der absolute Shooting Star. 1982 darf sie als Küken mit auf der Bank bei den Deutschen Meisterschaften bei der B-Jugend sitzen, 1983 gewinnt sie mit ihrer Truppe in der C-Jugend die Niedersachsenmeisterschaft (Trainerin ist Christine Kynast) und ist im Rückspiel der absolute Trumpf im Viertelfinale um die Deutsche Meisterschaft. In Berlin hatte sich im Hinspiel die überragende Britta Siebler, die viele Jahre in der Jugendnationalmannschaft spielte, in der 2. Halbzeit den Finger gebrochen. So ging dieses Spiel mit einem Tor verloren. Für das Rückspiel ließ dann Trainer Robert Schumann Bianca im Rückraum bei den Großen spielen. Leider konnten auch ihre acht Tore nicht verhindern, dass die Mannschaft nach einem Ein-Tore-Sieg (16:15/Hinspiel 12:13) aufgrund der weniger auswärts geschossenen Tore ausscheiden musste. Die Berlinerinnen gingen anschließend souverän als Deutscher Meister durch die nächsten Spiele.

 

 

1984 reicht es wieder nur für einen Deutschen-Vizemeister-Titel. Aber 1985 gibt es die große Bianca-Mävers-Show. Innerhalb von 15 Stunden wird sie zweimal Deutsche Meister. Erst am Samstagabend mit ihrer etatmäßigen B-Jugend-Mannschaft, am Sonntagvormittag mit der weiblichen A-Jugend, die nach einer knappen Hinspielniederlage jede Verstärkung gebrauchen können.

 

 

Wer diesen NWZ-Artikel in der epischen Breite noch einmal lesen möchte, kann sich auch diesen herunterladen als PDF-Datei.

Doch bevor es jetzt zu einer richtigen Achterbahn der Gefühle kommt, schalten wir noch einmal mindestens zwei Gänge zurück. Nicht alle kennen die Historie der Handballfrauen bis ins kleinste Detail. Und vielleicht wundert sich die eine Leserin oder der andere Leser, dass der große Robert Schumann immer wieder erwähnt wird und die vielen anderen um ihn herum etwas weniger beleuchtet sind. Manchmal werden aus dramatischen Gründen eben Dinge etwas verkürzt dargestellt oder in einer Art und Weise komprimiert, dass für Nebenschauplätze nicht viel Platz bleibt. Das ist oft sehr schade, denn besonders die Menschen hinter den großen Persönlichkeiten sorgen durch ihr Handeln dafür, dass das Fundament stark genug bleiben kann.

Werner Bokelmann war immer so ein zweiter Mann, der mit vielen kreativen Ideen und neuen Visionen dafür einstand, dass die VfL-Maschine sich optimieren und weiterentwickeln konnte.  Er war mit dafür verantwortlich, dass das neue Medium Video Einzug erhielt in die Vorbereitung auf den nächsten oder übernächsten Spielgegner. Auch die Idee, mit den Bundesliga-Damen im Training gegen Herrenmannschaften zu spielen, kam von Seiten des Co-Trainers. Und nicht nur die Senior:innen profitierten von den neusten Errungenschaften. So wurde ein speziell entwickeltes Torwart-Training auf alle Jugendmannschaften übertragen. Jeden Freitag hatten somit auch die noch in der C-Jugend spielenden Torhüter:innen die Möglichkeit, mit den großen Bundesligapersönlichkeiten spezifisch zu trainieren.

 

 

Nebenbei war Werner aber auch ein großer Organisator, der dafür sorgte, dass auf den Abschlussfahrten alles rund lief.

 

 

Am Tag des großen Europa-Pokal-Endspiels 1984hatte Reiseleiter Bokelmann nur kurze Touren geplant. Vom Johann-Justus-Weg morgens in die VfL-Halle an der Rebenstraße zum Endspiel seiner männlichen A-Jugend, anschließend in die Brandsweghalle zu seinen Bundesliga-Damen und dann am Abend wieder zurück nach Hause auf das gemütliche Sofa. Wenn nicht noch irgendwo der Weg zum Lamberti-Eck dazwischen geschoben werden musste…

Ja, das Lamberti-Eck. Immer wieder geht es zurück zu großen Feiern und langen Nächten. Wir wollen nicht alles vorwegnehmen. Es gibt aber ein Foto, dass alle anderen wirklich tollen Abbildungen in den Schatten stellt. Geschossen wurde es am späten Sonntagnachmittag, nachdem das erste und einzige Deutsche-Meisterschafts-Endspiel mit Beteiligung des VfL Oldenburg am 12. Juni 1983 mittags in Lübbecke mit knapp 1000 Oldenburger Fans 19:23 verloren ging.

 

 

Freibier gab es zu jeder vollen Stunde. Bei Inge ist es nach diesem tollen Kampf über die ganze Saison aber gegen 18.00 Uhr schon halb acht.

Dieses Foto war, nachdem im Sportteil am Montag auf Seite 1 wieder einmal die Bundesliga-Damen auf der ganzen Seite präsentiert worden waren, erst am Dienstag noch einmal im NWZ-Oldenburg-Stadt-Bereich nachgeschoben worden. Auf diesem ist auch leicht angeschnitten Henning Balthazar zu sehen. Aber dazu mehr im dritten Teil…

Vorschau:

Teil 2: Dies ist ein Gasthaus und kein Treibhaus

  • Das Endspiel und die Feier – Fortsetzung
  • Ein Gastwirt bringt Ruhe ins Spiel
  • Europa ruft
  • Eine Spielerin ruft zu ihrem Trainer „Papa“
  • Dreimal ist Oldenburger Recht – leider nicht geklappt
  • Das wunderbare Horn
  • Ein Mann aus Gießen
  • Zwei mal zwei

 

 ZUGABE – Teil 2 – Bild 1

 

ZUGABE – Teil 2 – Bild 2

 

ZUGABE – Teil 2 – Bild 3

 

ZUGABE – Teil 2 – Bild 4

 

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