Es ist eine Saison, die sich wohl selbst die größten Optimisten so kaum hätten erträumen lassen:

30:16 Punkte, Tabellenplatz fünf, die erste Europacup-Teilnahme seit der Saison 2016/17, eine erneute Final4-Teilnahme, eine große Zuschauerkulisse in der heimischen EWE Arena – und vor allem die Spielweise, die begeistert.

Die Bundesliga-Handballerinnen des VfL Oldenburg sind wohl die Überraschungsmannschaft der laufenden Saison. Sönke Spille blickt auf die wichtigsten Daten, Zahlen und Fakten zu einer schon jetzt außergewöhnlichen Spielzeit 2022/23:

Siegesserie

Borussia Dortmund, HSG Bensheim/Auerbach, die Sport-Union Neckarsulm, Buxtehuder SV, TuS Metzingen, BSV Sachsen Zwickau und VfL Waiblingen: Seit sieben Bundesligaspielen sind die Oldenburger Handballerinnen nun schon ungeschlagen – und haben damit Historisches geschafft. Die Mannschaft von Trainer Niels Bötel hat mit dieser Siegesserie den Vereinsrekord aus dem Jahr 2012 eingestellt. „Das ist der komplette Wahnsinn“, kommt VfL-Geschäftsführer aus dem Staunen kaum raus: „Gerade wenn man sieht, gegen welche Mannschaften wir gewonnen haben, ist das beeindruckend. Das ist eine Situation die wir so gar nicht kennen. Umso mehr freuen wir uns über die tollen Erfolge. Das zeigt auch, was die Mädels für eine überragende Saison spielen.“

Tabellenplatz

16:36 Punkte – das ist die Ausbeute, die die Huntestädterinnen in der vergangenen Spielzeit einfuhr. Drei Spieltage vor dem Saisonende 2022/23 sind es bereits 30:16 Punkte und damit nahezu doppelt so viele Zähler. „Es ist eine der erfolgreichsten Saisons aller Zeiten“, betont Andreas Lampe. Gerade mit der Dreifachbelastung, die man mit Europacup, Pokal und Liga zwischenzeitlich gehabt hat, sei es beeindruckend, wie die Mannschaft in dieser Saison abliefert – zumal sie vor der Saison von vielen zwischen dem 10. und 14. Tabellenplatz eingestuft wurden. Auch, als die Ergebnisse Ende Dezember ausblieben, schafften es Trainerstab und Team, in die Erfolgsspur zurückzukehren. „Mit der Dreifachbelastung war der Akku Ende Dezember brutal leer“, sagt Andreas Lampe: „Man muss der Mannschaft ein Kompliment machen, dass sie nicht in ein Loch gefallen ist.“ Im Saisonendspurt macht sich zudem bemerkbar wie breit der Kader, in dem nur noch Luisa Knippert verletzt ausfällt, aufgestellt ist. Lampe: „Auch nach einer knappen ersten Halbzeit wie gegen Zwickau und Waiblingen spielen wir unser Spiel in der zweiten weiter. Da sieht man, wie wichtig es ist, dass alle an Bord sind. Was wir in dieser Saison schon an tollen Leistungen gezeigt haben macht mich unheimlich stolz.“

Europapokal

Sechs Jahre hatte man in Oldenburg darauf warten müssen, endlich wieder international auflaufen zu dürfen. Mit dem Finaleinzug im Final4 des DHB-Pokals im Mai 2022 hatten die Oldenburgerinnen den Einzug ins europäische Geschäft perfekt gemacht. Viel zugetraut hatte man dem VfL dabei nicht. Doch mit starken Auftritten gegen den Österreichischen Meister Hypo Niederösterreich schafften die Grün-Weißen den Sprung in die nächste Runde, wo man gegen den großen Favoriten Les Neptunes de Nantes zwar stark mitspielte, sich aber recht deutlich geschlagen geben musste. „Wir haben es dort über weite Strecken richtig gut gemacht. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten wir mit einigen Ausfällen zu kämpfen, haben mit einem extrem kleinen Kader alle drei Tage gespielt. Und trotzdem hat sich jede einzelne Spielerin komplett reingehangen.“

Final4-Teilnahme

Zum fünften Mal fand das Final4-Turnier um den DHB-Pokal der Handballerinnen nun in Stuttgart statt, zum dritten Mal war der VfL Oldenburg dabei. Über die HG Owschlag-Kropp-Tetenhusen, die Sport-Union Neckarsulm und die HL Buchholz 08-Rosengarten löste der VfL zum zweiten Mal in Folge das Ticket für Stuttgart. „Wir haben damit endgültig bewiesen, dass der Einzug nicht immer nur Glück ist. Uns liegen K.o.-Spiele einfach“, sagt Andreas Lampe: „Für die Mädels war die erneute Teilnahme natürlich ein Highlight.“ Auch wenn die Oldenburgerinnen gegen Bensheim-Auerbach den Einzug ins Endspiel verpassten (26:31), einen Tag später war es ein Zeichen der Moral, dass man den TuS Metzingen im Spiel um Platz drei bezwang. „Natürlich waren wir nach der Niederlage enttäuscht. Aber wenn man gesehen hat, mit welcher Energieleistung die Mädels am nächsten Tag aufgetreten sind, ist das einfach bemerkenswert“, sagt Lampe.  

Zuschauerschnitt

11.634 – so viele Zuschauerinnen und Zuschauer haben in dieser Saison die Bundesligaspiele des VfL Oldenburg besucht. Im Schnitt sind somit bei jedem Spiel 1.058 Fans in der kleinen EWE Arena, um die Huntestädterinnen zu unterstützen. Das macht Platz eins im Bundesliga-Vergleich. „Was mich extrem freut ist, dass wir einen höheren Zuschauerschnitt haben als vor der Corona-Pandemie“, betont Andreas Lampe. Während andere Vereine mit deutlich weniger Zuschauerzuspruch zu kämpfen haben, waren in einzelnen Spielen bis zu 1.700 Besucherinnen und Besucher in der Arena zu Gast. „Wir spüren als Verein die Unterstützung der Fans“, sagt der VfL-Geschäftsführer. So war auch die Ticketaktion mit dem VfB Oldenburg ein voller Erfolg. „Das zeigt den Zusammenhalt in der Stadt und ist gleichzeitig eine Anerkennung für unsere Leistung.“

Top-Torschützinnen

Eine Oldenburger Doppel-Spitze gibt es beim Blick auf die Top-Torschützinnen der Bundesliga zu entdecken. Toni Reinemann (149 Tore) und Merle Carstensen (146) liefern sich dabei ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz eins. „Wir haben auch in der Vergangenheit immer wieder Spielerinnen unter den besten Werferinnen gehabt“, blickt Andreas Lampe auf Kathrin Pichlmeier (2. Platz 2021/22) und Merle Carstensen (4. Platz 2020/21) zurück: „Dass unsere Spielerinnen jetzt an Platz eins und zwei stehen ist auch eine Auszeichnung für die Mannschaft“, findet er. Gerade Reinemann sei nach der Verletzung von Kathrin Pichlmeier förmlich „explodiert“ (Lampe). „Ich glaube, dass ist eine Kombination aus Vertrauen vom Trainerteam und dem Mut von Toni, die Würfe zu nehmen.“ Spannend ist dabei zu beobachten, wie die beiden Spielerinnen mit der Situation umgehen. „Eigentlich batteln sich die beiden, aber keine achtet darauf. Da überlässt Merle Toni auch mal einen Siebenmeter wie gegen Waiblingen, obwohl sie vorher fünf von fünf verwandelt hat. Keiner von beiden hat die Konstellation im Kopf, schon gar nicht auf dem Spielfeld. Da ist es ihnen egal, wer wie viele Tore wirft. Da geht es ausschließlich um den Sieg für den VfL.“

Die Mannschaft steht über allem – das könnte vielleicht ein wenig das Erfolgsrezept sein, das Niels Bötel mit seinem Trainerteam gefunden hat. Das Motto wird von allen Spielerinnen ausnahmslos mitgetragen und spiegelt sich auch in den Ergebnissen der vergangenen Wochen wieder – egal wo. „Auch wenn es nicht unser Hauptaugenmerk ist, sind wir in den Statistiken sehr gerne vorne“, sagt Andreas Lampe und fügt schmunzelnd an: „In der Bundesligatabelle sind wir das ja noch nicht.“