Rückkehr in schwierigen Zeiten: Jenny Behrend ist zurück beim VfL Oldenburg

Deutsche Meisterin, Pokalsiegerin, Teil einer scheinbar unaufhaltsamen Mannschaft: Im Mai 2025 steht Jenny Behrend mit der HB Ludwigsburg wieder ganz oben, jubelt mit dem Team auf dem Rathausbalkon von Ludwigsburg. Alles scheint perfekt. Für die neue Saison haben die Ludwigsburgerinnen erneut Großes vor, zudem wartet Ende des Jahres die Heim-Weltmeisterschaft.
Drei Monate später ist nichts mehr wie es war: Statt in der Champions League um den Einzug ins Final4 zu kämpfen, steht der Verein vor dem „Aus“. Statt konzentrierter Vorbereitung auf die Heim-WM bestimmen bei Behrend plötzlich Existenzängste und die Suche nach einem neuen Verein den Alltag. „Es ist kaum zu beschreiben, was in den letzten Wochen passiert ist – das hat einem den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt die Handballerin. Doch: Mitten in diesem Ausnahmezustand steht der VfL Oldenburg, für den sie sieben Jahre auflief, als rettender Anker zur Verfügung. Jenny Behrend ist dort zurück, wo ihre große Karriere einst an Fahrt aufnahm.

Die Nachricht von der Insolvenz der HB Ludwigsburg erschütterte nicht nur die ganze Handball-Bundesliga, sondern traf die Spielerinnen wie aus dem Nichts. Verträge verloren ihre Gültigkeit, der Spielbetrieb ist unklar, die Zukunft offen. „Die letzten Wochen waren hart“, sagt Jenny Behrend. Statt der Saisonvorbereitung standen für die Außenspielerin ganz andere Themen im Fokus. „Es kam für uns alle super überraschend, ich habe es selbst noch nicht so ganz begriffen.“
Individuelles Training stand zuletzt auf dem Plan – wenn überhaupt. „Für kurze Zeit war es überhaupt nicht möglich, an Handball zu denken, da es plötzlich ganz andere Sachen sind, die da aufkommen, an die man denkt“, so Behrend. „Ich bin verdammt stolz auf die Mannschaft. Wie wir die Zeit zusammen gemeistert haben, ist einfach unbeschreiblich. Wir waren als Team eh schon eng zusammengewachsen, haben sportlich in Deutschland alles gewonnen, was man gewinnen kann. In solch einer Zeit noch enger zusammenzurücken, ist nicht selbstverständlich.“
Rettender Anker: Rückkehr nach Oldenburg
Doch ohne Zukunft in Ludwigsburg war die Außenspielerin gezwungen, nach einer Lösung für ihre Zukunft zu suchen – und das kurz vor dem Saisonstart. „Es wurde mit Existenzen gespielt“, stellt Behrend ernüchtert fest. Doch eine Lösung für das kommende Jahr ist nun in Oldenburg gefunden. „Ich bin unfassbar dankbar für die Chance, die ich beim VfL bekommen habe, und dafür, dass sie mich so auffangen“, sagt die Nationalspielerin. „Es ging alles enorm schnell. Ich bin jetzt wieder in Oldenburg – ganz realisiert habe ich das aber noch nicht.“
Oldenburg – hier feierte Jenny Behrend vor mehr als zehn Jahren ihr Bundesligadebüt, reifte über die Jahre zur Nationalspielerin, ehe sie 2021 zur SG BBM Bietigheim wechselte, aus der vor einem Jahr die HB Ludwigsburg entstand. Behrend: „Ich habe mir über die Zeit ein Zuhause aufgebaut, habe hier sieben Jahre gespielt, super viele Freunde gefunden. Wenn wir freie Tage hatten, bin ich auch zuletzt immer nach Oldenburg gekommen, habe hier Zeit verbracht. Dass die VfL-Familie auch in solch einer schweren Zeit für einen da ist, dafür bin ich einfach nur unheimlich dankbar.“
Jetzt will Behrend möglichst schnell an ihrer alten Wirkungsstätte ankommen – auch mit Blick auf die Heim-WM zum Jahresende: „Das kann ich nur, wenn ich so schnell wie möglich zur Ruhe komme, den Kopf frei bekomme und das, was passiert ist, hinter mir lassen kann“, sagt die 29-Jährige. „Klar, die Mannschaft hat sich verändert, aber es sind immer noch Spielerinnen da, mit denen ich noch zusammengespielt habe. Das wird sicherlich helfen.“

„Mehr als ein Verein“
Für Andreas Lampe, Geschäftsführer des VfL Oldenburg, war klar, dass er nach der Insolvenz-Meldung aus Ludwigsburg direkt bei seiner ehemaligen Spielerin nachfragen würde. „Als die Nachricht herauskam, habe ich Jenny gefragt, wie es ihr geht. Wir haben als Motto ‚VfL – mehr als ein Verein‘. Ich finde, das darf man nicht nur so sagen, sondern muss das auch leben.“
Für die beiden VfL-Geschäftsführer Lampe und Jens Staschen stand schnell fest, dass sie handeln würden: „Wenn wir Jenny in dieser schweren Zeit helfen können, dann werden wir das tun, auch wenn wir natürlich keine Notwendigkeit für diesen Transfer haben. Wir wollen aber unserer langjährigen Spielerin, die bei uns aus der Jugend gekommen und bis zur Nationalmannschaft gegangen ist, nicht einfach im Stich lassen. Dafür sind wir eben eine VfL-Familie.“ Das gelte auch, wenn man sich für den Vertrag finanziell weit strecken musste: „Für uns steht da aber ganz klar im Vordergrund, dass wir einer Spielerin helfen wollen, die sich sehr viele Verdienste in diesem Verein erarbeitet hat. Da haben wir keinen Moment gezögert.“
Und: Geschäftsführer Lampe ist stolz, Behrend zurück im Kader zu haben: „Ich bin unfassbar stolz, dass eine solche Spielerin zu uns zurückkehrt – wenn auch unter diesen schwierigen Umständen. Trotzdem freuen wir uns, eine weitere deutsche Nationalspielerin in unseren Reihen zu haben. Das spricht für die gute Arbeit, die wir alle beim VfL machen.“
Mit dem Vertrag für Jenny Behrend endet damit eine Phase voller Unsicherheit – und es beginnt ein neuer Abschnitt. In Oldenburg will sie nicht nur zur Ruhe kommen, sondern auch schnell wieder ihren Rhythmus finden. Die Stadt kennt sie, den Verein kennt sie, die Anforderungen der Bundesliga kennt sie. Jetzt geht es darum, sportlich wieder anzugreifen – mit dem großen Ziel der Heim-Weltmeisterschaft fest im Blick.